Gedanken in Gedichtform über das Dösseler Lager
Nachdem ich das Luftbild vom Kriegsgefangenenlager Oflag VIb veröffentlicht hatte, ging mir ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Seit hier auf bestem Ackerboden die ersten Menschen vor über 80 Jahren in einem “Lager” festgehalten wurden, ist dieser Ort in der Dösseler Feldflur immer ein “Lager” geblieben. Bis heute.
Waren zunächst Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter dort interniert, kamen nach dem Krieg die Vertriebenen aus dem Osten dort unter. Die nächste Gruppe waren nach der Erfindung der Bundeswehr die Wehrpflichtigen Soldaten, die hier ihren Wehrdienst abgeleistet haben. Und die ganzen letzten Jahre dient dieser Ort, der bis heute noch mit einem Zaun gesichert ist, als Zwischenstation und Wohnstätte für geflüchtete Menschen.
Allen gemeinsam ist die Unfreiwilligkeit ihres Aufenthaltes hier. Allen gemeinsam ist die Entfernung von ihrem eigentlichen Zuhause, von ihrer Heimat. Da mir das heute am Karfreitag nicht mehr aus dem Kopf ging, habe ich nach einem Medium gesucht, meine Gedanken zu Papier zu bringen. So ist das folgende Gedicht entstanden.
Der Acker
Gedicht von Christof Störmer
Seht den Acker
Das ist der Acker der Gepeinigten
So lange schon
Menschen halten Menschen fest
Die sich nicht kennen
Weil Krieg ist sagen die einen
Den Blick nach unten gerichtet die anderen
Nicht alle halten durch
Seht den Acker
Das ist der Acker der Vertriebenen
So lange schon
Sie haben kein Zuhause mehr
Und sollen hier eines bekommen
Doch man kann Heimat nicht eintauschen
Glücklich ist am Ende der
Der hier einen Anker werfen kann
Seht den Acker
Das ist der Acker der Soldaten
So lange schon
Dienstverpflichtet gegen ihren Willen
Zählen sie die Tage
Bis sie wieder nach Hause können
Das Foto ihrer Liebsten
Ausgeblichen dicht am Herzen
Seht den Acker
Das ist der Acker der Geflüchteten
Zu lange schon
Gezwungen den langen Weg zu gehen
Von dort wo ein Leben für sie
Nicht mehr möglich ist
Obwohl sie ihr Ziel erreicht haben
Die Zukunft ist noch ungewiss
Seht den Acker
Das ist der Acker der Liebenden
So lange schon
Die trotz aller Mühsal
Einen Freund hier finden
Gemeinsam beten und singen
Sich um die Schwachen kümmern
Eine Familie gründen
Seht den Acker
Das ist der Acker der Hoffenden
So lange schon
Alle hoffen auf bessere Zeiten
Überleben den Gepeinigten
Heimat den Vertriebenen
Frieden den Soldaten
Willkommen sein den Geflüchteten
Seht den Acker
Wie lange soll er noch dienen
Als Lagerplatz für Menschen
Die einander fremd sind
Die nicht hierher wollten
Dieser Acker sollte – so lange schon
Duften nach Krume und Frucht
Und nicht nach Blut und Tränen