Gedanken zu Allerheiligen
Heute ist Allerheiligen. Neulich stellte sich für mich in Verbindung mit diesem Feiertag die Frage: Was bleibt von uns, wenn wir nicht mehr da sind? Wo gibt es Spuren von uns in dieser Welt?
Die wenigsten von uns haben einen Wikipedia-Eintrag und keine Straße und kein Dorfplatz trägt unseren Namen. Wenn man Kinder hat, lebt man natürlich in diesen weiter. Und das ist gut zu wissen. Aber ansonsten gibt es nur ein Grab auf einem Friedhof, wo der Grabstein nach 30 Jahren im Normalfall wieder entfernt wird. Damit verschwinden die letzten äußerlich sichtbaren Spuren unserer menschlichen Existenz.
Als ich darüber nachdachte fiel mir ein Baum ein, den ich vor ungefähr 20 Jahren im Hardehäuser Wald entdeckt hatte. Auf dessen Rinde war eine sehr alte Schnitzerei zu sehen. Da mir das keine Ruhe ließ, machte ich mich vor kurzem wieder auf, diesen Baum wiederzufinden. Ist er wohl noch da, wo er in meiner Erinnerung stand? Oder spielt mir diese einen Streich und der Baum steht vielleicht auch gar nicht mehr, oder an einer ganz anderen Stelle in einem ganz anderem Wald?
Baum für Baum wurde von mir auf Schnitzereien abgesucht und nach einiger Zeit hatte ich ihn dann auch zu meiner Freude tatsächlich wiedergefunden. Er steht also tatsächlich noch. Und auch die Schnitzerei ist noch gut zu erkennen. Hier hat sich also im Jahr 1928 ein oder eine J.H. verewigt, wahrscheinlich ohne sich was dabei zu denken. Vier Jahre später war dieser Zeitgenosse nochmals hier, hat seinen Baum gesucht, ihn gefunden und im Jahr 1932 eine weitere Inschrift hinterlassen.
Die ehemals nur messerklingenbreiten Einschnitte sind mittlerweile 20 mm breit. Sie befinden sich jedoch interessanterweise noch immer auf der selben Höhe wie damals, als diese Schnitzerei angebracht wurde, obwohl der Baum in den vergangenen 92 Jahren sicher um einiges gewachsen ist.
Man fragt sich natürlich: Was mag J.H. wohl für ein Mensch gewesen sein? Wie ist sein Leben verlaufen? Was hatte er für Träume? Hat er den Krieg überlebt? Diese und viele weitere Fragen fallen mir ein. Sicher ist nur, dass dieser Mensch heute nicht mehr lebt. Aber er hat eine Spur hinterlassen – und das beeindruckt mich zutiefst – die auch heute noch sichtbar ist.
Ich will heute an Allerheiligen daher nicht nur meiner verstorben Verwandten und Freunde gedenken, sondern auch diesem oder dieser mir unbekannten J.H. Der Zufall hat uns zusammen geführt. Und ich will diesen Moment und den Gedanken daran in Ehren halten.